Juni 2001

Oberstdorfer Fußgängerzone mutiert zum Autosalon der Nobelklasse
Die tausend Spritzer Motoröl auf dem Marktplatzpflaster wird die Sonne bald weggeheizt haben. Was vorerst bleiben dürfte für den Tourismus-Magneten „autofreies Oberstdorf“ ist, dass es immer wieder PS-starke Sportwagen-Rallyes oder pittoreske Oldtimer-Ausflüge für einen Boxenstopp anlockt, wie das Licht die Motten. So auch beim Internationalen Treffen der Morgan-Sportwagen. Der Vorplatz der Pfarrkirche mutierte quasi zum Autosalon, als die britische Automobilschmiede und die Allgäuer Champignon-Käserei bei Volksfest-Stimmung einen flotten Flitzer verschenkten.

Die 120 knallroten, zitronengelben oder sattgrünen Oben-ohne-Boliden preschten mit sonorem Hirschbrunft-Geröhre peu à peu auf die Zielgerade los, sprich „die gute Stube“ der Marktgemeinde. In der Fußgängerzone formierten sich die Renner mit den charakteristischen überlangen Motorhauben und dem exclusiven Echtholz-Armaturenbrett zur bestaunten Wagenburg. Zur mittlerweile 5.Allgäuer Käserallye, dieser extravaganten mehrtägigen Ausfahrt zwischen Jungholz, Riedbergpaß und Oberjoch bot Oberstdorf das wohlgefällige Szenario. Einem vielhundertköpfigen Publikum leuchteten die Augen ob der barocken Pracht dieser vierrädrigen Gentleman.Verkörperung von Lifestyle und Lebensfreunde. In Siegerpose mit hoch emporgereckten Armen und mit freiwillig verteilten Küsschen da und dort erkletterte eine überglückliche Ulrike Brück aus dem bayerischen Hettenshausen das Trittbrett ihres nagelneuen, grün-schwarzen Morgan +8 (197 PS, Barpreis 120 000 Mark). Den hatte sie gerade gewonnen, weil die gute Frau unter den 250 000 Einsendern eines Preisausschreibens der Camembert-Käsefirma mit Fortuna im Bunde war.

Gescheiter Käs und a guats Auto
Logisch, daß vor den Toren Kemptens beheimatete Milchverwertungs-Unternehmen ist genauso geschichtstrrächtig wie die allerletzte in Privatbesitz verbliebene KFZ-Schmiede jenseits des Ärmelkanals, nämlich „über 90 Jahre“ alt. So lautet das Lösungswort der Marketing-Kampagne anläßlich einer neuen Verpackungs-Idee für die 15 Millionen verkauften Käse-Packungen im vergangenen Jahr.

Eigentlich hätte Charles Morgan als Enkel des Sportwagen-Pioniers von 1909 als auch Bayerns Landwirtschaftsminister Josef Miller die Fahrzeugschlüssel an das neue Morgan-Clubmitglied aushändigen sollen. Doch der Patron, der seine urigen, schnellen und hochpreisigen Benzinerm noch immer in altmodischer Handarbeit fertigen läßt, mußte aus irgendwelchen Gründen auf der Insel bleiben. Und der abwesende Minister war als Morgan-Beifahrer womöglich einer Autopanne erlegen.

So besorgte Sponsor und Champignon-Chef Robert Hofmeister unter Assistenz von Rallye-Organisator Heinz Kandziora gleich selbst die Preisübergabe nach dem Motto: „a gescheiter Käs und a guats Auto“ passen immer zusammen. Zuvor hatte der „Platzhirsch“ des „autofreien Oberstdorf“, wie sich Bürgermeister Eduard Geyer selbst am Mikrofon outete, ganz verstohlen im Gewinner-Cabrio mächtig Gas gegeben.


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